Unangemessene Ausbildungsvergütung
„Der Auszubildende trägt als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen ist. Seiner Darlegungslast genügt er regelmäßig damit, dass er auf die einschlägige tarifliche Vergütung verweist und vorbringt, seine Ausbildungsvergütung unterschreite diese um mehr als 20 %. Der Ausbildende kann sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat vielmehr substanziiert zu begründen, weshalb im Einzelfall ein von den genannten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll.“
(LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.6.2022, Az. 2 Sa 251/21)
Die Parteien stritten sich über die Höhe der Vergütung. Der Ausbildungsvertrag sah eine wöchentliche Ausbildungszeit von 40 Stunden sowie eine gestaffelte Ausbildungsvergütung von 450 EUR für das 1. Ausbildungsjahr bis schließlich 600 EUR für das 4. Ausbildungsjahr vor. Für Mecklenburg-Vorpommern galt räumlich ein Manteltarifvertrag, nach dem Auszubildende eine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden vorgesehen war. Die danach zu zahlende Ausbildungsvergütung lag zwischen 603 € bei Beginn der Ausbildung für das 1. Lehrjahr und 895 € zum Ende der Ausbildung für das 4. Lehrjahr. Trotz der fehlenden Tarifbindung der Beklagten verlangte der Kläger am Ende der Ausbildungszeit eine Zahlung von 8.433,60 EUR brutto – die Differenz zwischen der tarifvertraglich geregelten Ausbildungsvergütung und der ihm im Ausbildungsvertrag zugesagten Vergütung.
Das Gericht gab ihm Recht. Nach § 17 I 1 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die Bestimmung ist nur eine Rahmenvorschrift und legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest. Bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung bilden die einschlägigen Tarifverträge den wichtigsten Anhaltpunkt für die Verkehrsanschauung. Eine Ausbildungsvergütung ist demgegenüber in der Regel nicht angemessen iSv § 17 I 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreitet. Um eine Prüfung der Angemessenheit der an den Kläger geleisteten Ausbildungsvergütung durchführen zu können, war – so das Landesarbeitsgericht – die tariflich für eine Ausbildungszeit von 37,5 Stunden pro Woche vorgesehene Vergütung auf eine 40 Stundenwoche hochzurechnen.
Tipp: Auch wenn keine Tarifbindung vorliegt, könnten tariflichen Bestimmungen zu Ihren Gunsten ausgelegt werden. In einer ersten Beratung können wir prüfen, ob in Ihrem Fall Argumentationsspielraum für eine höhere Ausbildungsvergütung besteht, selbst wenn nach Tarifvertrag die Ausschlussfristen abgelaufen sind.